Ein Dokument von 1856 zum Reihetisch 

von J. H. Lolling · 06.02.2024
Im Folgenden wird ein Brief des Volksschullehrers J. H. Lolling aus Möhlenwarf abgedruckt, den er im Jahre 1856 an die „hohe Behörde“. Ob es sich dabei um den Pfarrer von Möhlenwarf als Schulaufseher handelt, oder ob Lolling sich gleich an das Konsistorium gewendet hat, war nicht mehr festzustellen, da die Überlieferung des Schreibens unvollständig ist. Die Schlussformel mag nahelegen, dass er sich an alle Institutionen gewendet hat.

„Doch Euch überlasse ich dem Lenker droben, dem es nicht unbekannt ist, mit welchem Eifer ich meines Amtes warte.“ 

Die hohe Behörde wird mir gewiss Glauben schenken, wenn ich behaupte, daß der Lehrer durch den Reihetisch zu sehr mit den Leuten in Berührung kömmt, und diese Berührung einen nachtheiligen Einfluss auf die liebe Jugend zur Folge hat, indem überall, wo der Lehrer den Reihetisch genießt, schulpflichtige Kinder sind. 

Der Arbeiter Otte Ibelings zu Beschotenweg verabreicht dem Lehrer die Kost. Seine Ehefrau ist aber im vorigen Jahre verstorben und er ist beständig in Bunde beim Gutsbesitzer Loeringh in Arbeit. Nun muss ich stets einer Kost fürlieb nehmen, die seine unmündigen Kinder nach ihrem Gutdünken bearbeiten und kochen. – O, könne die Behörde mit eigenem Auge und Ohre sehen und hören, wie es in den Kosthäusern des Lehrers aussieht und hergeht, gewiss würde hochdieselbe nicht länger den Reihetisch dulden! – Bogen würde ich über den Tisch voll liefern können, will aber vorerst hiermit schließen, muß aber noch etwas im Allgemeinen über denselben sagen: 

Nicht Ein einziger Einwohner liefert den Reihetisch vollständig. Komme ich des Nachmittags nach der Schulzeit, um Thee zu trinken, alsdann sieht man mich entweder mit scheelen Augen, oder man ist nicht zu Hause. Komme ich des Morgens vor der Schulzeit, so ist der Eine nach dem uns nahe liegenden Orte Bunde, der Andere nach Weener. Ohne zu frühstücken, muss ich dann zur Schule und mit dem labenden Essen bis Mittag warten. Komme ich des Abends, etwa um 9 Uhr, so ist die Thür verriegelt, und kann mich ohne Erquickung genossen zu haben, niederlegen. 

Diese getreue Schilderung erlaube ich mir der hohen Behörde, der Wohllöblichen Kommission, den hoherwürdigen Herren Predigern zur hochgewogentlicher Berücksichtigung hierdurch ehrfurchtsvoll vorzulegen mit der ganz gehorsamsten Bitte: Den Reihetisch aus obigen Grünen abstellen und den Interessenten eine jährliche Entschädigung von 50 RM, per Tag 3 g Gr. 4 Pf., anstatt desselben auflegen lassen zu wollen. 

Möhlenwarf wie oben. 

J. H. Lolling