1972 war die Volksschule in Folmhusen geschlossen worden und in der Gemeinde Westoverledingen entstand die Überlegung, ein Museum zu gründen. Karl Reuer hatte zusammen mit seiner Frau Wimod die Idee, statt eines Heimatmuseums ein Schulmuseum zu gründen. Museumsarbeit war ihm nichts Neues. Er hatte Kontakt zur Ostfriesischen Landschaft und im RPZ, dem Regionalen Pädagogischen Zentrum in Aurich sowie in dessen Nachfolgeorganisation, dem KBZ (Kultur- und Bildungszentrum), eine Unterrichtseinheit „Industriedenkmal Mühle“ erarbeitet. Daraus entstand sein Engagement bei MoBiLe (Museen Ostfrieslands als Bildungsstätten und Lernorte ), das ihm bei seiner Tätigkeit in Folmhusen zugute kam. Zunächst war der Träger des neuen Museums der Heimat- und Verkehrsverein Westoverledingen. Karl Reuer mit seinen Erfahrungen aus MoBiLe wurde Leiter der Einrichtung. Er knüpfte Kontakte zu einer Arbeitsgruppe der Stiftung Schulgeschichte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft/Bezirksverband Weser-Ems, die sich für die ostfriesische Schulgeschichte engagierte. Diese unterstützte den Aufbau der schulgeschichtlichen Sammlung, die sich zunächst nur auf Folmhusen und die Dörfer der Gemeinde Westoverledingen bezog.
Wer aber war Karl Reuer, der bei der Gründung des Schulmuseums Lehrer in Flachsmeer war, wo er auch mit seiner Familie lebte? Geboren 1934 in Coswig/ Anhalt, war Karl Reuer Sohn eines Lehrers. Dieser hatte nach der Kriegsgefangenschaft eine Stelle in Göttingen gefunden. 1949 kam auch seine Mutter mit dem Jungen nach Göttingen. Dort machte Karl 1956 Abitur und begann ein Studium an der PH Göttingen, um Volksschullehrer zu werden. Das schloss er 1960 erfolgreich ab. Eine Stelle fand er in Berumbur in Ostfriesland. 1967 heiratet er Wimod Schnuit aus Emden, gleichfalls Lehrerin. Beide zogen nach Flachsmeer. An die dortige Grundschule wurde er nach einigen Zwischenstationen 1973 versetzt. Bis zur Pensionierung 1997 unterrichtete er dort.
Zunächst war das Schulmuseum in Folmhusen ein Schulmuseum der Gemeinde Westoverledingen. Nachdem es 1981 zu einer vertraglichen Zusammenarbeit der GEW-Arbeitsgruppe mit der Gemeinde Westoverledingen gekommen war, zeigte es sich, dass eine Erweiterung des regionalen Bezugs vom Schulmuseum der Gemeinde zu einem Schulmuseum für ganz Ostfriesland sinnvoll war. So kam es zur Gründung des Ostfriesischen Schulmuseums. Allerdings dauerte es noch zwei Jahre, bis diese Organisation endgültige Gestalt annahm.
Zunächst wurde einer der Klassenräume der alten Schule, soweit ausgestattet, dass 1983 erstmals ein Schulunterricht wie vor hundert Jahren stattfinden konnte, so dass der Beginn der „Historischen Unterrichtsstunde“ in Folmhusen auf dieses Jahr datiert werden kann. Damit wurde ein Leitgedanke umgesetzt: „Weg von den langweiligen Führungen, wir wollen ein lebendiges Museum!“, wie er in den Schulmuseen, die damals in großer Zahl entstanden, propagiert wurde. Aufgegriffen wurde dabei eine Idee der Museumspädagogik, die in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts virulent war und die auch die Arbeit fast alle Schulmuseen in Deutschland prägte. Die Grundidee ging und geht dabei von der Überzeugung aus, dass ein Schulmuseum nicht nur die Objekte und Artefakte dokumentieren und präsentieren sollte, sondern dass es den Besuchern auch ermöglichen muss, die Erfahrungen, die schließlich alle mit der Schule früher gemacht haben, aktiv zu erinnern. Karl Reuer hat diese Form der Darstellung von Unterricht vergangener Zeiten in ganz besonderer Weise präsentiert. Im Museum sind eine Vielzahl von Briefen erhalten, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen seiner historischen Unterrichtsstunden als Dankschreiben verfasst haben. Im Gehrock und mit Stock hat er ganz besonders den ehrwürdigen Lehrer der Kaiserzeit dargestellt. Und den erhaltenen Fotos kann man auch den Spaß daran entnehmen, den sowohl er wie die Besucher und Besucherinnen gehabt haben.
Ein weiterer wichtiger Schritt für den Etablierung des Schulmuseums Folmhusen war dann im Jahre 1984 die Gründung des „Vereins Ostfriesisches Schulmuseum Folmhusen e. V.“, der als weiterer Museumsträger fungieren sollte und wollte. Das Schulmuseum wurde als Schwerpunktmuseum für die Schulgeschichte Ostfrieslands Mitglied im Museumsverbund Ostfriesland und nahm teil am schon erwähnten Modellversuche Museen Ostfrieslands als Bildungsstätten und Lernorte (MOBiLe).
Bereits 1986 konnte in der Schule auch eine erste Ausstellung gezeigt werden, die sich mit der Geschichte der Schule Folmhusen beschäftigte. Die offizielle Eröffnung des Ostfriesischen Schulmuseums Folmhusen erfolgte dann 1987.
Im Eröffnungsjahr zählte man mehr als 5000 Besucher und der Buchbestand umfasste schon damals ca. 6000 Exemplare. Schnell wurden internationale Verbindungen mit Schulmuseen in Europa und darüber hinaus geknüpft, indem das Museum an den regelmäßig, alle zwei Jahre veranstalteten Symposien teilnahm.
Das Jahr 1987 brachte es dann auch, dass Karl Reuer ganz offiziell der ehrenamtlicher Leiter des Ostfriesischen Schulmuseums Folmhusen wurde.
Aus dieser Zeit gibt es ein Manuskript von ihm, in dem er die Aufgaben eines Schulmuseums allgemein und insbesondere die des Schulmuseums in Folmhusen beschrieben hat.
Karl Reuer im Gehrock in einer historischen Unterrichtsstunde 1995, die Aufnahme stammt aus einer Broschüre, die eine Moordorfer Schule nach dem Besuch in Folmhusen angefertigt hat.
Es sind 7 Aufgaben, die er beschreibt.
- Betreuung von Schulklassen im Rahmen der „historischen Unterrichtsstunde“
- Betreuung von Seniorengruppen, denen die Möglichkeit gegeben werden soll, von ihrer Schulzeit zu erzählen, was es dem Museum ermöglicht eine authentische Perspektive zu erhalten
- Einrichtung eines Archivs als Sammlung von Dokumenten aus den Schulen
- Betreuung von Studenten der Universitäten
- Kontakte zu anderen Gruppen, womit einerseits die Arbeitsgruppen ‚Familienkunde‘ und ‚Volkskunde‘ der Ostfriesischen Landschaft gemeint sind. Darüber hinaus äußert er hier auch den Wunsch, internationale Kontakte zu intensivieren.
- Sammlung von Kinder- und Jugendbüchern
- Organisierung von Ausstellungen
Nach dieser Konstituierung des Museums betrieb Karl Reuer konsequent den weiteren Ausbau. Denn der Archivbedarf stieß schnell an seine Grenzen. 1992 konnte ein multifunktionales Gebäude errichtet werden, da es der Gemeinde gelang das alte Bauernhaus auf dem Nachbargrundstück der alten Schule zu erwerben. Hier wurde das Gulfhaus errichtet, das heute die sog. Sonderausstellungen des Museums beherbergt und im vorderen Teil die Lebenswelt der ostfriesischen Lehrer zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu dokumentieren versucht.
Auch die wissenschaftliche Arbeit wurde vorangetrieben. 1992 wurde ein Kooperationsvertrag mit der Universität Oldenburg zur Vernetzung der beiden Bibliotheken geschlossen. Diese ist inzwischen ersetzt durch eine Kooperation mit der Bibliothek der ostfriesischen Landschaft. Innerhalb des Verbunds der ostfriesischen wissenschaftlichen Bibliotheken gehört die Bibliothek des Schulmuseums inzwischen zu den größten, die es in Ostfriesland gibt.
Schnell zeigte sich, dass weiterer Raumbedarf bestand. 1997 begannen die Planungen zu einer Erweiterung. Die Bibliothek war inzwischen auf über 30000 Bände angewachsen, die Sammlung der Schulwandbilder und Karten betrug damals schon um die 5000 Exemplare. So wurde im Frühjahr 2002 der Grundstein für die sog. Bücherscheune gelegt, die 2003 bezogen wurde.
Karl Reuer selbst konnte nur noch diese Grundsteinlegung erleben, denn 2001 erkrankte er plötzlich sehr schwer. Er starb am 17. Oktober 2002.